Symbolismus entlang des 38. Breitengrades

Von Ingomar Stöller

Der Koreakrieg (1950-53) und dessen Folgen hatten gewaltige Auswirkungen auf den politischen Symbolismus, welcher auch im Bildungssystem von Nord- und Südkorea widergespiegelt wird. Eine Analyse.

Der Koreakrieg hinterließ auf der koreanischen Halbinsel zwei Nationalstaaten, die vor dem Hintergrund des Kalten Krieges unterschiedliche Ideologien verfolgten. Während sich Nordkorea auf die Vermittlung sozialistischer Werte konzentrierte, propagierte Südkorea US-amerikanische Demokratiepolitik. Die relativ jungen Staaten nutzten die jeweilige Staatsideologie zur Legitimierung der eigenen Existenz. Besonders deutlich wird dies beim Betrachten der Bildungssysteme als Spiegelbilder der beiden Gesellschaften.

Die Anfangsjahre des Kalten Krieges waren von Skepsis auf beiden Seiten geprägt. Die Fronten waren verhärtet und beide Staaten davon überzeugt, durch die eigene Staatsideologie dem Nachbarn überlegen zu sein. Bei südkoreanischen Schulkindern wurde verstärkt auf eine anti-kommunistische Erziehung gesetzt, um auf die omnipräsente Bedrohung aus dem Norden aufmerksam zu machen. Kinder in nordkoreanischen Schulen lösten im Mathematikunterricht suggestive Textbeispiele, darunter etwa ‚Wie viele Kinder können in Südkorea nicht in die Schule gehen und müssen als Schuhpolierer auf der Straße leben?’.

Erste Änderungen in dieser Hinsicht kamen erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den GUS-Staaten begann Südkorea seine anti-kommunistische Erziehungsmethodik zu überdenken und der Gedanke einer friedlichen Wiedervereinigung rückte in den Vordergrund. Nordkorea hingegen beharrte auf seiner alten Position und betrachtete Südkorea weiterhin als ein von den USA besetztes Gebiet, welches es kriegerisch zurückzuerobern galt

Unter der Präsidentschaft von Kim Dae-jung (1998-2003) und seiner sogenannten Sonnenscheinpolitik kam es zu einer Annäherung auf beiden Seiten. Der Staatsbesuch Kim Dae-jungs bei Kim Jong-il war einmalig in der Geschichte beider Länder und die Tatsache, dass beide Politiker ohne die Hilfe eines Übersetzers miteinander kommunizieren konnten, hatte eine weitreichende symbolische Wirkungskraft. In den Klassenzimmern wurde nun verstärkt die Idee der „same race“ propagiert, bei welcher die politische Ideologie der beiden Staaten in den Hintergrund rückt und man sich auf die gemeinsame ethnische Abstammung konzentriert. Infolgedessen gewann auch in Nordkorea die Idee der Wiedervereinigung Aufwind.

Wenngleich diese langsame Annäherung unter der seit 2007 andauernden Präsidentschaft Lee Myung-baks Rückschläge erhalten hat, so ist doch bemerkenswert wie sich die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea im Laufe der Geschichte gewandelt haben. Mit der Machtübernahme Kim Jong-uns über Nordkorea Ende 2011 ist jedoch der weitere Verlauf dieses Prozesses äußerst schwer vorhersehbar geworden.