Von Ingomar Stöller
2006 wurde die Stadt Linfen in der chinesischen Provinz Shanxi vom Blacksmith Institute zu einer der zehn meistverschmutzten Städte der Welt gekürt. Die Stadtregierung schloss daraufhin über 1000 Fabriken und beschloss zahlreiche weitere umwelttechnische Verordnungen. Mittlerweile ist Linfen zu einem Vorzeigemodell hinsichtlich Umweltpolitik geworden.
China bezieht zwei Drittel seiner Energie aus Kohle. Die Kohleminen von Linfen selbst fördern jährlich im Schnitt 30 Millionen Tonnen. Doch die lokale Kohleindustrie hat im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen: Im Jahr 2006 erreichte die Luftqualität in Linfen an bloß 15 Tagen keine gesundheitsgefährdenden Ausmaße; ein Tagesaufenthalt entsprach dem Konsum von drei Packungen Zigaretten. Örtliche Kliniken sahen einen drastischen Anstieg von Fällen mit Bronchitis, Lungenentzündung und Lungenkrebs.
Seither wurden mehr als 1000 Fabriken und Kohleminen geschlossen, 85% aller Haushalte auf Gasheizungen umgerüstet, der private Gebrauch von Kohle massiv eingeschränkt und ein großer Park als grüne Lunge der Stadt errichtet. Diese Maßnahmen dienten letztlich auch dem Image der lokalen Politik. Nachdem 2007 bei einer Explosion in einer Kohlenmine 105 Personen starben, wurde Linfens Bürgermeister Li Tiantai seines Amtes enthoben.
Statt dichtem Smog begrüßt mich am Bahnhof jedoch strahlender Sonnenschein und wolkenloser blauer Himmel. Mein Taxifahrer bestätigt, dass es nicht immer so war: „Früher konnte man solche Tage an einer Hand abzählen!“. Doch seither habe sich viel verbessert. Die gute Luftqualität habe das öffentliche Leben wiederbelebt, die Menschen würden sich viel öfter aus ihren Wohnungen heraus wagen. Bis zu 15 zusätzlichen Tagen an sauberer Luft sollen die Umweltverordnungen gebracht haben.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sind mehr als 52% aller Grundwasserbrunnen in der Provinz Shanxi von Schwermetallen verseucht. In Linfen kann das Grundwasser nicht einmal nach dem Abkochen verwendet werden. Eine Lokalbesitzerin erzählt mir, dass sie stattdessen das teuer abgefüllte Wasser aus dem Supermarkt zum Kochen verwenden muss. Das schlage sich in höheren Preisen nieder. Die Luftverschmutzung habe man in den Griff bekommen. Doch das verseuchte Grundwasser sei eine Herausforderung für die kommenden Generationen.
Die Regierung in Peking hat Chinas drohendes Umweltdesaster bereits erkannt und einschlägige Reformen eingeleitet. Die Umsetzung scheitert jedoch oft auf der lokalen Ebene. Diese Lücke zwischen der politischen Zentrale und der Basis zu schließen, wird eine der Hauptaufgaben von Xi Jinping, Chinas Staatsoberhaupt, sein.