Von Ingomar Stöller
Von der Asienkrise getrieben verschlug es den Südkoreaner Kim Jun mitsamt seiner Familie Ende der 1990er nach Österreich, wo er als Tellerwäscher einen mühevollen Neuanfang wagte. Heute ist er Manager einer Akakiko Filiale und befindet sich mit seiner Familie auf einer Gratwanderung zwischen der österreichischen und koreanischen Identität.
Nach der Beendigung seines Sportmanagment Studiums war Kim Jun zunächst freiberuflich tätig, ehe er aufgrund der Asienkrise alles verlor. Es folgte ein gut bezahlter Job bei Samsung, welcher Kim jedoch zu wenig zukünftige Lebensqualität für seine Familie bot. Ein erneuter Jobwechsel war hinfällig, da Arbeitsplätze in Südkorea nach der Asienkrise Mangelware darstellten.
In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zog der damals 31-jährige Kim schließlich im Jahr 2000 mitsamt Ehefrau und Kindern nach Österreich. Kim hatte bereits seit geraumer Zeit seine neue Wahlheimat Österreich ins Auge gefasst: einige Jahre zuvor waren schon einige seiner Verwandten nach Österreich ausgewandert, 1996 war er selbst mehrere Monate lang in Österreich um sich ein Bild zu machen. Anfänglich war das Leben für Kim hart, von seinem abgeschlossenen Studium konnte er auf dem österreichischen Arbeitsmarkt aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht profitieren und begann schließlich bei Akakiko als Tellerwäscher und Kellner. Die ersten Jahre bei Akakiko waren von learning by doing geprägt: Englisch als Kommunikationssprache sowohl mit den Kunden als auch mit den Kollegen wurde mit der Zeit immer mehr von Deutsch abgelöst. Als Kim im weiteren Verlauf seiner Akakiko Karriere als Koch angestellt wurde, lernte er binnen kürzester Zeit die Zubereitung verschiedenster asiatischer Gerichte. So arbeitete sich Kim über Jahre hinweg langsam und mühevoll bei Akakiko hoch, ist heute Manager einer Akakiko Filiale und führt zusammen mit seiner Frau und drei Kindern ein zufriedenes Leben – ein Leben, das sich seiner Meinung nach gar nicht so sehr von einem Leben in Korea unterscheidet. „Grundsätzlich sind sich der österreichische und koreanische Menschencharakter aufgrund von vergleichbaren Werten sehr ähnlich.“ In Österreich werde der Begriff ‚Werte’ jedoch oft mit ‚altmodisch’ gleichgesetzt. Dennoch sei die Situation in Österreich in mancher Hinsicht besser als in Südkorea: So sei er während seiner Tätigkeit als Kellner nie herablassend behandelt worden, während hingegen in seiner Heimat Servicepersonal allgemein mit weniger Respekt begegnet werden würde.
Heimweh hat Kim selten, da ein Großteil seiner Verwandtschaft mittlerweile auch nach Österreich gezogen ist. Inzwischen lebt er seit mehr als zehn Jahren hier und will demnächst die österreichische Staatsbürgerschaft für sich und seine Familie beantragen, merkt jedoch gleichzeitig an, dass es wichtig wäre, seine Wurzeln nicht zu vergessen. Daher ist es Kim ein besonders großes Anliegen die koreanische Identität auch seinen drei Kindern weiter zu vermitteln. Seine Kinder, die zwischen 9 und 13 Jahren alt sind, können zwar aufgrund ihrer österreichischen Schulausbildung fließend Deutsch sprechen, zu Hause wird jedoch ausschließlich Koreanisch gesprochen.
Alle drei Jahre fährt Kim mit seiner Familie nach Südkorea auf Urlaub um seinen Kindern ihren kulturellen Ursprung näher zu bringen. Für die Zukunft hat er vorgesehen seine Kinder als Austauschstudenten nach Südkorea zu schicken – ein Vorhaben, welches bei den Kindern teilweise auf wenig Gegenliebe stoße. Derzeit würden sie eher die österreichische Mentalität bevorzugen, meint Kim. Vor allem der älteste Sohn könne mit seinen kulturellen Wurzeln nicht so viel anfangen, Sätze wie „Papa, wir sind in Österreich! Wir müssen uns jetzt wie Österreicher benehmen!“ würden des Öfteren fallen. Für Kim ist dieses Verhalten jedoch nachvollziehbar: „Wenn man als Kind oder Jugendlicher auswandert, ist es möglich seine Identität zu wechseln, jedoch nicht als Erwachsener.“
Zumindest für sich persönlich hat Kim bei der Gratwanderung zwischen den verschiedenen Kulturen eine Lösung gefunden. Denn trotz seines zukünftigen österreichischen Passes werde er sich im Herzen auch weiterhin als Koreaner fühlen.