Von Ingomar Stöller
Seit 2004 ist China mit der Shanghai International Circuit genannten Rennstrecke im Formel 1 Kalender vertreten. Doch von der anfänglichen Euphorie ist wenig erhalten geblieben. Ganze Tribünen stehen mittlerweile leer und werden als riesige Werbeflächen verwendet. Soldaten in Zivilkleidung füllen Plätze auf um leere Tribünen zu verhindern.
Obwohl der chinesische Grand Prix aus seiner räumlichen und sozioökonomischen Marginalisierung geholt wurde und somit ein wesentlich größeres Publikum anlocken müsste, kämpft das Sportereignis mit Besuchermangel. Die weit vom Stadtzentrum Shanghais entfernt liegende Strecke wurde mittlerweile sogar an das U-Bahnsystem angeschlossen. Ebenso wurden die einst astronomisch hohen Eintrittspreise gesenkt, ein Wochenendticket ist bereits ab 50 Euro zu ergattern. Bewirkt hat all das wenig. Kamen im ersten Jahr noch 260.000 Besucher, lockte man im vergangenen Jahr nur noch knapp 150.000 Zuschauer an. Der Enthusiasmus vergangener Tage ist verflogen. Daran ändert auch die TV Live-Übertragung des Rennens wenig, welches nicht nur als Aufzeichnung im Fernsehen gezeigt wird, wie dies bei anderen F1 Rennen häufig der Fall ist. Geht man am Rennwochenende durch die Straßen Shanghais, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Königsklasse des Motorsports gerade in der Stadt gastiert. Keine Wegweiser zu Shuttlebussen sind aufgestellt, Taxifahrer wissen oft nicht von der Existenz der Rennstrecke – die Begeisterungsfähigkeit der Chinesen für die Formel 1 ließe sich sicherlich steigern. Im benachbarten Japan ist die Formel 1 weitaus beliebter. Das liegt vor allem daran, dass viele japanische Hersteller sowie Fahrer in der Formel 1 erfolgreich tätig sind. Davon ist China weit entfernt.
China mag kein traditionelles Motorsportland sein, ist aber in dieser Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt. Bereits 1993 fanden Ren-nen der BPR GT Serie im in der Provinz Guangdong gelegenen Zhuhai statt, bis 1996 der Zhuhai International Circuit mit dem Ziel errichtet wurde, im Formel 1 Kalender Aufnahme zu finden. Den Zuschlag dafür bekam jedoch letztlich Shanghai, sicherlich auch aufgrund seiner internationalen Bedeutung als wirtschaftliches Zentrum Chinas. Interessant ist der Umstand, dass sich nur wenige Minuten vom Shanghai International Circuit das VW Werk befindet. In diesem Zusammenhang ist die Vertragsverlängerung des Grand Prixs bis 2017 trotz Besuchermangels zu verstehen. Im aktuellen Arbeitsbericht der Regierung des Stadtbezirks Jiading heißt es, dass man vor allem den Ausbau der ansässigen Autoindustrie unterstützen wolle. Dies soll mit dem Bau eines Handelszentrums für Autoteile sowie der verstärkten Interaktion dieses Zentrums mit der Formel 1 Rennstrecke erreicht werden.
Chinas Motive hinsichtlich des Prestigeprojekts Formel 1 sind demnach vorrangig wirtschaftlicher Natur. Doch das allein wird für den Aufbau einer Motorsportkultur nicht ausreichen.