Interview mit Berthold Steinschaden
von Christian Schwarz
Berthold Steinschaden beobachtet die Sumo-Szene in Japan seit über 20 Jahren, schreibt für deutschsprachige Sumo-Magazine, ist Heurigen-Wirt und lebt in Wien.
dasReispapier: Die letzten beiden Jahre im Sumo waren sehr turbulent. Können Sie die Ereignisse für unsere Leser kurz Revue passieren lassen?
Berthold Steinschaden: Begonnen hat alles Anfang 2010 mit dem 25. Turniersieg des mongolischen Sumo-Ringers Yokozuna Asashoryu. Nach einer Schlägerei in einer Bar musste er zurücktreten. Kurz darauf, im Februar, kam heraus, dass viele Sumo-Ringer illegal auf Baseballspiele wetteten, was in Japan verboten ist. Erschwerend kam hinzu, dass die Wettpartner Yakuza waren. Es wurden teilweise sehr harte Strafen verhängt, unter anderem lebenslange Sperren. Danach hat sich die Lage wieder etwas beruhigt.
Was geschah sportlich nach dem Rücktritt Asashoryus?
Das Jahr 2011 hat normal begonnen. Nach dem Rücktritt Asashoryus hat Hakuho – auch Mongole – die Sumo-Welt dominiert und einen Turniersieg nach dem anderen eingefahren [und dabei] Rekorde gebrochen. Unmittelbar nach dem Turnier im Jänner hat man im Zuge der Ermittlungen um die illegalen Baseballwetten einen Zufallsfund gelandet: In einer Textnachricht auf dem Mobiltelefon eines Ringers fand man Hinweise auf Kampfabsprachen.
Worum ging es bei diesen Absprachen?
Bei diesen Absprachen ging es nicht um Geld, sondern dabei handelte es sich um Einigungen zwischen den Kämpfern. Bisher war so etwas schwer beweisbar. Für erfahrene Beobachter des Sumo war das allerdings immer wieder zu erkennen gewesen. Durch Absprachen sind sich Ringer immer wieder entgegengekommen. Hat zum Beispiel ein Sumo am letzten Turniertag noch einen Sieg gebraucht, dann gab es manchmal Absprachen. Sein Gegner hatte sozusagen einen Sieg geistig gutgeschrieben bekommen.
Also handelt es sich dabei um ein strukturelles Problem?
Absprachen sind ein Teil des Systems, da es nicht möglich ist, nur Ringer mit einer Sieg-Niederlagen-Bilanz von 7:7 antreten zu lassen (ein Sumoturnier läuft über 15 Kampftage, Anmerkung der Redaktion). Nun hat man zum ersten Mal einen schriftlichen Beweis gefunden. Insgesamt wurden 25 Ringer ausgeschlossen – das ist ein Drittel von Churyo und Makuuchi (die beiden höchsten Kampfklassen, Anmerkung der Redaktion). Die meisten davon sind freiwillig zurückgetreten und haben eine Abfindung erhalten. Zwei Ringer haben sich jedoch gewehrt und sind vor Gericht gegangen. Denn der einzige Beweis, den es gab, war ein Geständnis der zwei Ringer, auf deren Mobiltelefonen die Textnachrichten gefunden wurden.
Wie haben die Gerichte entschieden?
Die beiden Kläger haben vor Gericht eine einstweilige Verfügung erwirken können – so etwas war noch nie da: Zum ersten Mal wurde der Sumoverband von einem öffentlichen Gericht verurteilt.
Das löst allerdings nicht das Problem der Absprachen.
Wie bereits erwähnt: Da Absprachen ein Teil des Systems in sich sind, wird man sie auch nicht zur Gänze verhindern können. Ringer werden in Zukunft einfach vorsichtiger sein, denke ich. Aber im Allgemeinen halte ich Absprachen nicht für ein Problem, das den Sumo-Sport gefährdet. Es gab weder die dicken Gewinne der Wettbüros, noch sind Personen dadurch reich geworden; von außen floss auch kein Geld zu. Langfristig gesehen handelt es sich um ein Nullsummenspiel unter den Kämpfern.
Um auf die Katastrophe in Japan Anfang März zu sprechen zu kommen: Wurde von Seiten des Sumo versucht, das angeschlagene Image Japans wieder aufzupolieren?
Hier muss man die Zeitkomponente beachten: Nach Auffliegen der Kampfabsprachen wurde das März-Turnier in Tokyo gestrichen. Es hätte an dem Wochenende begonnen, als das verheerende Erdbeben Japan erschütterte. In der Folgezeit hat der Sumoverband große Summen gespendet, Ringer sind in die zerstörten Gebiete nach Tohoku gefahren. Das kam bei den Leuten sehr gut an und hat viele positive Schlagzeilen in den Medien produziert.