von Thomas Immervoll
Seit dem Militärputsch 2021 ist Myanmar weitgehend international abgeschottet. China ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten. Aufgrund des Krieges in der Ukraine verstärken nun diese beiden Länder ihre Zusammenarbeit.
China wird Myanmar unterstützen, „egal wie sich die Situation weiterentwickelt“. So zitierte die Nachrichtenagentur Associated Press den chinesischen Außenminister Wang Yi bei seinem Treffen mit seinem Amtskollegen Wunna Maung Lwin Anfang Jänner 2022. Lange Zeit waren derart hochrangige Kontakte zwischen den beiden Ländern nicht selbstverständlich. Für China sind die Beziehungen zu Myanmar von großer Bedeutung, allerdings ist der kleine Nachbarstaat unberechenbar und gegenseitige Vorbehalte haben bereits in der Vergangenheit immer wieder die bilaterale Zusammenarbeit beeinträchtigt.
Eine wichtige Stütze des Regimes
Einst arbeiteten China und Myanmar eng zusammen. Ein großes Wasserkraftwerk am Fluss Myitsone wurde errichtet, um die lokale Wirtschaft Nord-Myanmars zu stärken und zugleich China vom Stromimport profitieren zu lassen. Dies war nur eines von zahlreichen gemeinsamen Projekten. Während Myanmar politisch weitgehend isoliert war, waren die engen Beziehungen zu China eine wichtige Stütze für das Regime sowie die wirtschaftliche Entwicklung im Land.
Jedoch erregte der Kraftwerksbau Widerstand im Land, und dies nicht zuletzt durch Chinas Beteiligung. Umweltzerstörung und die große Zahl von Gastarbeiter*innen sind nur zwei der Themen, die immer wieder zu Unmut innerhalb der Bevölkerung Myanmars gegenüber China sorgten. Seinen Höhepunkt erreichte der Konflikt im Jahre 2011, als die chinesischen Projektbetreiber*innen hinausgeworfen wurden und die Beziehung der beiden Länder deutlich abkühlte. Bis heute liegt das Wasserkraftwerk damit auf Eis.
Wie sehr die Ressentiments gegen den mächtigen Nachbarn im Norden bis heute anhalten, zeigen aktuelle Umfragen. Eine pro-chinesische Politik ist daher nicht ohne Risiko für die politische Führung in Rangun. Doch selbst der Wahlsieg der Nationalen Liga für Demokratie unter ihrer Führerin Aung San Suu Kyi 2015 änderte nichts daran, dass China ein wichtiger Partner für Myanmar blieb.
Chinas Route in den Golf von Bengalen
Der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor ist ein bedeutender Baustein in Chinas Strategie der internationalen Beziehungen. Als Teil der Maritimen Seidenstraße verbindet er die südchinesische Metropole Kunming und den Indischen Ozean. Dieser Weg ist nicht nur kürzer als der Seeweg durch die Straße von Malakka, hier lässt sich auch die politisch instabile Route durch das Südchinesische Meer effizient umgehen. Ein von China finanzierter Tiefseehafen in Kyaukphyu, eine Hochgeschwindigkeitsbahn sowie Öl- und Gaspipelines sind Teile dieses Korridors.
Außerdem ist Myanmar ein wichtiger Rohstofflieferant für China. Neben Öl und Gas spielen Jade und Metalle eine große Rolle. Das Land verfügt über enorme Reserven. Wie groß die Vorkommen aber wirklich sind, ist noch lange nicht erhoben.
China wiederum avancierte nicht nur als Rohstoffabnehmer, sondern auch als wichtigster Waffenlieferant. Erst im Dezember 2021 lieferte es zwei U-Boote an die Marine Myanmars, weitere Kooperationen sollen folgen.
Strategischer Partner als Risikofaktor
Myanmar bleibt daher ein wichtiger strategischer Partner für die Volksrepublik. Daran änderte auch der Umsturz der Regierung unter der Führung von Aung San Suu Kyi nichts. Jedoch reagierte China auf die Destabilisierung des Landes mit Zurückhaltung.
Gleichzeitig aber blühte die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. So kann die digitale Variante der chinesischen Währung Renminbi dazu beitragen, Myanmars Abhängigkeit vom US-Dollar und dem internationalen Bezahlungssystem SWIFT zu verringern. Private Investoren wie Alibaba, der mit seinem Online-Händler shop.com.mm Marktführer im Land ist, tragen zu dieser Entwicklung bei.
Die vielen internen Konflikte machen Myanmar durchaus zu einem Risikofaktor für China. So liegt u.a. der chinesisch-myanmarische Tiefseehafen von Kyaukphyu im Bundesstaat Rakhine, welcher durch die Vertreibung der Minderheit der Rohingya traurige Berühmtheit erlangte. Die mit dem Projekt verbundenen Unwägbarkeiten sind aus diesem Grund immens.
Auch die an die chinesische Provinz Yunnan grenzenden Bundesstaaten Kachin und Shan sind von internen Auseinandersetzungen gezeichnet. Die Kämpfe haben nach dem Putsch deutlich zugenommen. Es ist von immenser Bedeutung für China, die Region entlang der über 2000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze zu stabilisieren.
Myanmar zwischen Ost und West
Auch wenn es Bemühungen gab, Myanmar nach dem Putsch nicht durch äußere Isolation noch weiter in die Arme Chinas zu treiben, ist es offensichtlich, dass der chinesische Einfluss im Land weiterhin wächst.
In Anbetracht der COVID-19-Pandemie, der Klimakrise und dem Krieg in der Ukraine ist es für China umso wichtiger, neue Beziehungen zu knüpfen, um seine Stellung in der Welt zu festigen. So lieferte China eine große Zahl an Impfdosen gegen COVID-19 an den kleinen Nachbarn.
Kommentator*innen sehen das Tauwetter in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten als Zeichen dafür, dass sich die Fronten zwischen einer „demokratischen“ und einer „autoritären“ Welt weiter verhärten. Doch ist die verstärkte Unterstützung Myanmars durch China keine rezente Entwicklung, sondern lediglich das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses. Chinas strategisches Interesse an seinem Nachbarn war über all die Jahre hinweg groß. So stand das Reich der Mitte auch 2017 Rangun zur Seite, als die Vertreibungen der Rohingya im Westen für Empörung sorgten.
Während Beijings Beziehungen zum Westen belastet sind, sucht China nach neuen Rohstoff- und Absatzmärkten. Da Russland nach dem Überfall auf die Ukraine als stabiler Partner auszufallen droht, orientiert man sich nach Süden. In einer Zeit der internationalen Spannungen werden die strategischen und wirtschaftlichen Interessen Chinas in Myanmar noch weiter zunehmen.
Schon in der Vergangenheit hat China gemeinsam mit Russland Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Myanmar verhindert. Auch diese Politik wird sich unter den gegebenen Umständen wohl nicht ändern.
Die tieferliegenden Gründe für die wechselhafte Zusammenarbeit der beiden Staaten sind keineswegs verschwunden. Es ist zu erwarten, dass Änderungen in weltpolitischen Großwetterlagen und innenpolitischen Dynamiken auch in Zukunft zu Divergenzen zwischen China und Myanmar führen werden.