von Katharina Menz
Weihnachten ist in Ostasien kein Fest mit langer Tradition. Dennoch ist es für viele ein besonderer Tag verbunden mit Bräuchen und einer speziellen Atmosphäre. Katharina Menz erzählt von weihnachtlichen Hühnchen, Erdbeertorten, Lichtershows und Blind-Dates in Südkorea, Japan, Festlandchina, Hongkong und Taiwan.
Südkorea: Blind-Dates und Online-Gottesdienst
Die Koreanerin Songhee hat bereits Weihnachtsdekoration besorgt und ihre Wohnung in Incheon festlich geschmückt. Auch ein Weihnachtsbaum darf dieses Jahr nicht fehlen. Normalerweise geht sie zu Weihnachten in die Kirche, dieses Jahr entfällt diese Tradition wegen der Pandemie. Ihr Vater ist Priester in der lokalen Gemeinde und predigt die Messe heuer über eine App auf seinem Smartphone. Songhee und ihre Familie treten daher online für ein gemeinsames Gebet mit ihrer Gemeinde zusammen.
Südkorea ist das einzige Land der Region, in dem Weihnachten ein landesweiter Feiertag ist. Christliche Koreanerinnen besuchen gerne Feiergottesdienste und spazieren nach der Christmette singend zu den Wohnungen älterer Gemeindemitglieder, wo ihnen warme Getränke und Snacks serviert werden. Die städtischen Geschäfte und Einkaufszentren sind weihnachtlich dekoriert, die Radiostationen spielen Weihnachtsmusik und im Fernsehen laufen Cartoons und Weihnachtsfilme. Kinder bekommen vom koreanischen Weihnachtsmann Santa Haraboji Geschenke.
Yoosun und ihr Mann kochen zu Weihnachten in Ruhe zu Hause in Seoul und essen als Nachtisch eine Weihnachtstorte. Manchmal verschicken die beiden Weihnachtsbriefe und kleine Geschenke an gute Freunde. Die Christmette besuchen Yoosun und ihr Mann schon länger nicht mehr. Vor allem junge Koreanerinnen gehen zu Weihnachten kaum noch in die Kirche, was Yoosun mit der weihnachtlichen Partylust vieler junger Koreanerinnen begründet. Koreanische Pärchen verabreden sich abends, während Singles die Weihnachtsstimmung nutzen, um ihr Glück bei Blind-Dates zu versuchen. Das sogenannte „Sogaeting“ wird oft professionell organisiert. Dabei lernen sich etwa 20 Frauen und Männer bei kurzen Speed-Dating-Runden kennen.
Japan: Liebeserklärungen und Hühnchen
In Japan ist Weihnachten kein offizieller Feiertag, jedoch relativ weit verbreitet, wenn auch meist ohne religiöses Motiv. Yuka und Ichirō planen schon seit geraumer Zeit ihr weihnachtliches Date sowie ihre Weihnachtsgeschenke. Der Druck, rechtzeitig vor Weihnachten eine Freundin oder einen Freund zu finden, ist groß. Reicht die Zeit nicht aus, ist Weihnachten ein beliebtes Datum, um der Angebeteten die Liebe zu gestehen – ein populäres Motiv in Mangas und Animes.
Abseits romantischer Liebeserklärungen machen Familien mit Kindern gerne eine „Weihnachtsparty“. Oft stehen dabei Hühner auf dem Menü, weswegen man im vorweihnachtlichen japanischen Supermarkt eine Vielfalt an Geflügel speziell für diesen Anlass finden kann. Auch die Fastfood-Kette KFC wirbt mit speziellen Angeboten für das beliebte Weihnachtshühnchen.
Die wichtigste japanische Tradition zu Weihnachten ist aber die Torte. Die Auswahl ist riesig, die bevorzugte Sorte ist weiß und mit Erdbeeren geschmückt und muss schon frühzeitig reserviert werden. Am 25. Dezember trudelt schließlich der japanische Weihnachtsmann Santa Kurōsu bei den Kindern Japans ein.
Yuka und Ichirō sind froh, dass sie dieses Jahr eine Verabredung zu Weihnachten haben. Gemeinsam gehen sie an Heiligabend fein essen und anschließend spazieren, um die Weihnachtsbeleuchtung von Tōkyō zu bestaunen.
Festlandchina: Äpfel und Karaoke
Die Studentin Yuting stapft zu Weihnachten mit ihrer Kamera durch das festlich geschmückte Einkaufszentrum ihrer Nachbarschaft in der Metropole Hangzhou im Südosten Chinas und fotografiert die Weihnachtsdekoration. In der Volksrepublik ist der 25. Dezember kein gesetzlicher Feiertag. In den großen urbanen Zentren tauchen jedoch jedes Jahr im Dezember immer aufwändigere Weihnachtsdekorationen auf. Die Motive für das wachsende Interesse sind nicht religiös, sondern hauptsächlich kommerzielle Marketingkonzepte, denn auch in China gilt die Weihnachtszeit als eine der umsatzstärksten des Jahres.
Neben kauflustigen und heiteren Menschenansammlungen dringt der Klang westlicher Weihnachtslieder in Yutings Ohren. In den letzten Jahren kauften viele junge Menschen am geschäftigen Weihnachtstag auch Äpfel, denn diese haben zu Weihnachten eine besondere Bedeutung. Das „Ping“ der beiden chinesischen Wörter für Apfel (苹果 pingguo) und Heiligabend (平安夜 ping‘anye, die friedliche Nacht) ist ein Homonym. Daher sagt man, dass der geschenkte Apfel einen friedlichen Abend mit sich bringt.
Nach ihrem Shoppingerlebnis trifft Yuting ihre Freundinnen und Studienkolleginnen zum Abendessen in einem Restaurant und anschließend in einer Karaokebar. Kleine Geschenke werden übergeben und die Freundinnen essen, lachen, plaudern und singen lautstark.
Taiwan: Spaß am Schenken
Auch die Studentin Jomei verbringt Weihnachten mit ihren Freundinnen in einem Restaurant. Zufällig ist der 25. Dezember der offizielle Verfassungstag der Republik China auf Taiwan. Obwohl der Tag nicht mehr arbeitsfrei ist, finden zahlreiche private Weihnachtsfeiern statt. Für nicht-christliche Taiwanerinnen geht es zu Weihnachten um den Spaß am Konsum und um fröhliche freundschaftliche Zusammentreffen.
Jomei und ihre Freundinnen übergeben sich kleine Geschenke. Sie haben im Vorfeld Nummern gezogen und so die Themen für die Geschenke bestimmt. Es gibt einen festgelegten Höchstbetrag, der für Weihnachtsgeschenke ausgegeben werden darf. Bei einem Spaziergang durch Taipei entdecken Jomei und ihre Freundinnen einen extravaganten Weihnachtsbaum aus goldenen und weißen Blattstrukturen. Er ragt vor dem bekannten Taipei 101 Tower empor und ist ein beliebtes Fotomotiv. Junge Taiwanerinnen mit Weihnachtsmützen posieren freudig vor dem Baum und genießen sichtlich die weihnachtliche Stimmung der Hauptstadt.
Hongkong: Lichtspektakel am Victoria Harbour
Obwohl der Hongkonger Anson nicht christlich ist, hat Weihnachten eine besondere Bedeutung für ihn. Es ist eine Gelegenheit, Freunde und Familie zu treffen, gemeinsam mit ihnen Zeit zu verbringen und zu essen. Außerdem begeistert ihn die weihnachtliche Stimmung am Hongkonger Victoria Harbour, denn dort fährt die Stadt mit Lichtspektakeln und festlicher Dekoration alle weihnachtlichen Geschütze auf. Wie Macao ist Hongkong eine ehemalige europäische Kolonie. Der 25. Dezember ist daher Feiertag.
Anson erinnert sich an seine Kindheit, als er mit seinen Eltern die berühmte Aussicht und Lichter genießen durfte. Wie Anson genießen viele Hongkongerinnen die Weihnachtszeit am Hafen und spazieren entlang der atemberaubenden Uferpromenade.
Auch Kiki freut sich jedes Jahr erneut auf Weihnachten und trifft entsprechende Vorbereitungen. Im Clubhaus ihres Apartmentkomplexes in Hongkong wurde schon im November prachtvolle Weihnachtsdekoration aufgebaut. Riesengroße Weihnachtsbäume und Teddybären ragen aus dem Boden. Kiki hat bereits frühzeitig eigene Weihnachtsdekoration für ihre Wohnung gekauft und auch Weihnachtsgeschenke dürfen nicht zu kurz kommen.
Den Weihnachtstag verbringt Kiki gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Mutter und ihren zwei kleinen Hunden zu Hause. Sie bereitet zu diesem Anlass gerne westliches Essen wie Lasagne mit Salat für ihre Lieben zu. Doch selbst zu kochen ist kein Muss, manchmal bestellt sie einfach Catering oder reserviert, ähnlich wie viele ihrer Freundinnen in Festlandchina und Taiwan, einen Tisch in einem Restaurant.
Für den weihnachtlichen Nachmittagstee hat sie auf der 103. Etage des Hongkonger Ritz Carlton Hotel einen Platz mit begehrtem Ausblick weit über die Mega-City ergattert. Kiki orientiert sich in ihrer Weihnachtsvorbereitung aber nicht nur an der westlichen Tradition, sondern hat bereits vor Wochen eine Weihnachtstorte aus einer japanischen Bäckerei bestellt. Allerdings ohne Erdbeeren, sondern zu Ehren ihrer flauschigen Familienmitglieder mit Hundemotiven.
dasReispapier wünscht ein frohes Fest und schöne Feiertage!
Die Autorin bedankt sich bei allen, die mit ihren Erzählungen aus Ostasien zu diesem Artikel beigetragen haben.