Buchrezension
von Pia Pao
Ein Jahr ist es her, seit Irene ihre Koffer gepackt hat und von Berlin nach Kyoto geflogen ist, um eine Stelle als ZimmermĂ€dchen im Hotel Kikka anzutreten. Die Eintönigkeit ihrer Arbeit scheint eine Abkehr aus ihrem treibenden Studentinnendasein in Berlin zu sein. Doch der Gast aus Zimmer 1009 taucht immer wieder in ihrem Leben auf. Und was Irene in Berlin zurĂŒckgelassen hat, lĂ€sst sie nicht los.
Irene zieht von Berlin nach Kyoto und beginnt im Hotel Kikka in der NĂ€he des Kyoto Towers als ZimmermĂ€dchen zu arbeiten. In Berlin hatte sie sich im Studium der Germanistik verzettelt, und wĂ€hrend Gleichaltrige an ihr vorbeizogen, saĂ sie im neunten Semester immer noch in den EinfĂŒhrungsvorlesungen.
In Berlin hatte Irene Timo kennengelernt, einen Japanologen, mit dem sie sich trifft und ab und zu mit ihm schlĂ€ft, wobei er sie ebenso wenig nach ihren Beziehungen fragt, wie sie ihn. Es ist Timo, der Irene empfiehlt, nach Kyoto zu fliegen. Er meint, in Tokyo wĂŒrde sie vermutlich nicht zum Flughafen zurĂŒckfinden und Irenes Ansage, fĂŒr immer in Kyoto bleiben zu wollen, quittiert Timo mit einem gehĂ€ssigen âKlar. Blöde Frage.â.
Doch Irene findet sich in Kyoto auf Anhieb zurecht. Die Arbeit im Hotel ist eintönig, doch sie gibt Irene die Struktur, die sie in Berlin vermisst hat. An ihren freien Tagen lĂ€sst sie sich in Kyoto treiben, besucht das Einkaufszentrum, den Kaiserpalast, die Nishiki-Markthalle, die Tempel und isst in kleinen Lokals Nudelsuppen. Irene fĂŒhlt sich in Kyoto so fremd wie in Berlin, aber wĂ€hrend es sie in Berlin entfremdete, kann sie die AnonymitĂ€t in Kyoto genieĂen.
Irenes Routine wird unterbrochen, als sie im Zimmer 1009 bei ihrem tĂ€glichen Putzgang einen deutschen Gast aus dem Schlaf reiĂt. Sie lĂ€uft ihm immer wieder ĂŒber den Weg, auf einer StraĂe in Gion, in der Bahnhofshalle, im Kaiserlichen Garten. Der ihr unbekannte Mann verwickelt Irene in GesprĂ€che, in denen sie sich schmerzhaft mit ihrer Beziehung zu Timo auseinandersetzt.
Die Autorin Jana Volkmann zeigt eine Protagonistin, die nach ihrem gescheiterten Studium und einer schwierigen Beziehung ihren Weg im Leben sucht. Kyoto und die Arbeit im Hotel Kikka wirken wie Zwischenstationen in Irenes Leben. Volkmann lÀsst Irene in Kyoto immer in Bewegung sein, in der Arbeit, in ihrer Freizeit, als kÀmpfe sie so gegen den Stillstand in ihrem Leben an.
Es ist eine Geschichte von Entfremdung und IdentitÀt, die sich auf mehreren Ebenen abspielt. Gleichzeitig werden MöglichkeitsrÀume eröffnet, die die Grenzen zwischen RealitÀt und Einbildung verschwimmen lassen. Es sind jene Bruchstellen, die den Roman reizvoll machen.
Das Zeichen fĂŒr Regen
von Jana Volkmann
erschienen 2015 im Verlag Edition Atelier