Von Falko Loher
Seit Mitte letzten Jahres explodierte die Anzahl japanischer Fußballer in europäischen Top-Ligen: Kagawa Shinji wurde mit Borussia Dortmund deutscher Meister, Miyaichi Ryo reifte bei Feyenoord Rotterdam zum Stammspieler und Nagatomo Yuto schaffte im Winter den Sprung zu Inter Mailand. Woran liegt der plötzliche Boom junger japanischer Talente in Europa?
Auffällig ist der Anstieg japanischer Kicker besonders im deutschen Profifußball. Neun von ihnen wechselten seit letztem Sommer in die zwei höchsten Ligen und können durchaus große Erfolge verbuchen: Borussia Dortmund gewann im Mai mit Kagawa Shinji die deutsche Meisterschaft und Uchida Atsuto stand als erster Japaner überhaupt mit Schalke 04 in einem Champions League Halbfinale. Fast alle Talente haben gemeinsam, dass sie jung und Offensivspieler sind. Zum Zeitpunkt ihres Wechsels hatten sie bereits erste Erfahrungen als Profis in der japanischen Fußballliga, der „J-League“, gesammelt und waren dennoch für europäische Vereine mehr als leistbar. So musste Borussia Dortmund für Kagawa nur 350.000 Euro zahlen, im europäischen Vergleich ist das ein wahres Schnäppchen. Es ist also nicht verwunderlich, dass nach dem Boom im Sommer 2010 auch weitere europäische Top-Clubs wie der AC Mailand oder Arsenal London ihre Fühler nach jungen Japanern ausstreckten.
Die Gründe für den plötzlichen Qualitätsanstieg des japanischen Fußballs sind in dessen Strukturen zu finden. Das Profigeschäft ist in Japan vergleichsweise jung. Seit knapp zwanzig Jahren existiert die heimische J-League, die bis vor kurzem vor allem als Alterssitz für europäische Profis diente. Um diesem Trend entgegenzuwirken, wurden einige Maßnahmen zur Förderung des Nachwuchses eingeführt: Zum einen setzte der japanische Fußballverband Obergrenzen zur Regulierung von Spielergehältern und der Anzahl ausländischer Spieler fest, zum anderen wurden die Vereine zur Nachwuchsförderung verpflichtet, indem man den Aufbau eines Nachwuchsbereichs als Bedingung für die Zulassung zur J-League auferlegte. Darüber hinaus spielt auch der Umgang der japanischen Medien mit den Spielern eine entscheidende Rolle: „Talente werden nicht verbrannt. Die Spieler bleiben mit beiden Füßen auf dem Boden, da ihnen nicht die überzogene mediale Aufmerksamkeit wie europäischen Spielern eingeräumt wird”, sagt Wolfram Manzenreiter, Experte für Sport in Japan an der Uni Wien. Dieses Erfolgskonzept scheint nun – zumindest aus Sicht vieler Spieler – aufzugehen. Mittlerweile befürchten einige japanische Vereine allerdings einen Ausverkauf heimischer Profis und somit eine Schwächung der J-League. Sie weigern sich, weiterhin mit den europäischen Spieleragenturen zusammenzuarbeiten.
Eine dieser spezialisierten Agenturen ist die deutsche Beraterfirma Pro Profil. Ihr Geschäftsführer Thomas Kroth verfügt über ein breites Netzwerk in Japan und beobachtet mehrmals im Jahr vor Ort das fußballerische Geschehen. Seine Firma hält inzwischen eine Monopolstellung in der Vermittlung japanischer Talente an Deutschland. Pro Profil hatte maßgeblichen Anteil an den Transfers jener zehn japanischer Fußballer , die heute im deutschen Profifußball spielen. Deutsche Clubs vertrauen Kroths Expertise, wie beispielsweise Zweitligist Energie Cottbus, der den Abwehrspieler Soma Takahito nach Deutschland holte. „Ohne Kroths Empfehlung hätten wir Soma sicher nicht zum FC Energie geholt, zumal wir ihn zuvor nicht beobachten konnten“, sagt Lars Töffling, Pressesprecher von Energie Cottbus, auf Anfrage des Reispapiers. Vermittler wie Kroth könnten auch zukünftig Anteil an den Erfolgen japanischer Kicker haben, denn: Der Boom hält an. Mehrere europäische Vereine haben bereits weitere japanische Talente für die neue Saison unter Vertrag genommen.