Von Ingomar Stöller
Nordkoreas männliche Fußballnationalmannschaft hat mit seiner Qualifikation für die WM 2010 zuletzt für Aufsehen gesorgt. Was auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, versuchen wir in einem Gespräch mit Simon Cockerell, Veranstalter von Reisen nach Nordkorea, und Filmregisseurin Brigitte Weich, die die nordkoreanische Frauenfußballnationalmannschaft mehrere Jahre begleitete, zu erörtern.
Inmitten Beijings Vergnügungsviertel Sanlitun befindet sich eines der wenigen Reisebüros weltweit, das eine exklusive Lizenz besitzt Reisen nach Nordkorea zu organisieren – es ist nämlich sehr wohl möglich das vermeintlich isolierte Nordkorea zu bereisen. Die britische Reisegesellschaft Koryo Tours hat sich seit den frühen 1990ern darauf spezialisiert, Reisen nach Nordkorea zu organisieren. Doch Simon Cockerell, der Leiter des Unternehmens, geht noch einen Schritt weiter: Im Laufe der letzten 20 Jahre hat Koryo Tours langsam eine Vertrauensbasis mit den nordkoreanischen Behörden aufgebaut. Man sieht sich nicht nur als bloßer Reiseveranstalter, sondern als Kulturvermittler zwischen dem isolierten Land und dem Rest der Welt. Zahlreiche von Koryo Tours produzierte und teils mit Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilme über Nordkorea sind dafür nur ein Beispiel. Cockerell zufolge gehe es nicht um die Frage von Recht und Unrecht, sondern darum, neue Perspektiven kennen zu lernen.
Seit kurzem bietet Koryo Tours Amateurfußballteams die Möglichkeit, an so genannten Fußball-Reisen nach Nordkorea teilzunehmen um gegen nordkoreanische Amateurfußballteams zu spielen. Die Idee dazu hatte Cockerell 2003. Damals sei Beijing Celtic, ein in Beijing beheimatetes Expat-Amateurfußballteam, an ihn mit der Frage herangetreten, ob es möglich sei gegen ein nordkoreanisches Amateurfußballteam anzutreten. Über den Mannschaftssponsor DHL, der eine Zweigstelle in Pjöngjang hatte, konnte das Spiel organsiert werden. Einige Jahre darauf trat das englische Frauenfußballteam Middlesbrough mit einer ähnlichen Bitte an Koryo Tours heran.
Im September 2010 reiste die Mannschaft nach Nordkorea und verlor gegen April 25th 2:6. Die Organisation eines Spiels zweier Profimannschaften war eine Ausnahme. Denn laut Cockerell seien die meisten Teams, die ihn kontaktieren, Amateurteams, die gegen nordkoreanische Amateurteams antreten wollen. Dabei hätten sie die Möglichkeit Fußballtrainingslager zu besuchen und ein kleines Tutorium von nordkoreanischen Trainern zu erhalten. Fußball ist auch in Nordkorea der mit Abstand populärste Sport, Fußballspiele werden regelmäßig im Fernsehen übertragen, darunter auch Spiele der Champions League. Dennoch lassen sich in der Fankultur klare Unterschiede erkennen. Cockerells Aussagen zufolge ist die Stimmung im Stadion nicht vergleichbar mit jener traditioneller Fußballnationen in Europa und Südamerika. Man betrachte Fußball wesentlich unterkühlter. Es sei in etwa vergleichbar mit der Atmosphäre eines Theater- oder Opernbesuchs.
Nordkoreanische Fußballmannschaften werden nach wie vor von Institutionen gegründet, finanziert und verwaltet. So gibt es etwa Teams, die von der Eisenbahnindustrie finanziert werden, der oben angesprochene Verein April 25th, benannt nach dem Gründungsdatum der nordkoreanischen Armee, wird gar vom Militär gesponsert. Für die Spieler ist jedoch kein Arbeitsverhältnis im jeweiligen Industriesektor erforderlich. Insgesamt hätte Fußball in Nordkorea jedoch nicht jenen Kultstatus, den der Sport in Südamerika oder Europa genieße, meint Cockerell. Vielmehr betrachte man ihn als Hobby. “Ein Fußballspieler in Nordkorea zu sein, macht dich im Gegensatz zum Westen nicht automatisch zu einem Superstar. Die meisten Spieler des männlichen Nationalteams gehen nebenbei einer ganz normalen Arbeit nach und betreiben den Sport bloß als Hobby.“
Das bestätigt auch Brigitte Weich, die Regisseurin des preisgekrönten Dokumentarfilms ‚Hana, Dul, Sed’ (Koreanisch für eins, zwei, drei). Sie begleitete vier Spielerinnen der Frauennationalmannschaft über fünf Jahre hinweg während ihrer aktiven Laufbahn und danach: „Auf die Frage, ob sie denn nun Profis seien, antworteten meine Protagonistinnen stets mit einem entschlossenen ‚Nein’. Das große Geld machen sie damit nicht, aber sie zählen doch zu einer bevorzugten Bevölkerungsschicht. Sie werden vor allem mit Gütern und Privilegien belohnt. So genießen sie das seltene Privileg als Nordkoreanerinnen ins Ausland reisen zu dürfen und erhalten vom Staat zusätzliche Lebensmittelrationen.“
Die Gründe für die Popularität des Frauenfußballs in Nordkorea liegen vor allem in der Unterstützung des Staates. Vor zehn Jahren begann man in den Frauenfußball zu investieren. Zwischenzeitlich befindet sich das weibliche Nationalteam auf dem achten Platz der Weltrangliste. Weich dazu: „Natürlich wäre es dem Staat und den meisten Nordkoreanern lieber, wenn die männliche Nationalmannschaft auf Platz fünf der Weltrangliste rangieren würde. Dafür fehlen aber die finanziellen Mittel sowie geeignetes Nachwuchspersonal.“ Mittlerweile zählen die Fußballdamen nicht nur zur unangefochtenen Elite im asiatischen Raum, sie wurden auch für die Frauenfußball-WM im Juni 2011 als Favoritinnen gehandelt. Brigitte Weich meinte, die nordkoreanische Führung wäre über ein frühes Ausscheiden zwar sehr enttäuscht, aber man würde der Weltmeisterschaft geringere Bedeutung beimessen als dem Asian Cup, der jeweils im Jahr nach einer Weltmeisterschaft abgehalten wird.
Ob Fußball als universale Sprache der Welt letztlich Chancen hat Nordkorea etwas näher an den Rest der Welt zu rücken, bleibt jedoch fraglich. Cockerell dazu: „Wenn Frauenfußball ein populärerer Sport im Rest der Welt wäre, gäbe es in dieser Hinsicht sicherlich große Chancen. Gleichzeitig müssen wir aber auch realistisch sein, denn im Endeffekt ist Fußball nach wie vor nur ein Sport, der alleine nicht fähig ist, Frieden und Harmonie herzustellen. Insbesondere im Hinblick auf die allgemeine Situation Nordkoreas ist es jedoch erfreulich zu sehen, dass hier Engagement stattfindet.“