Hochzeit in China: Zwischen (neuen) Traditionen und Drohnen

Es war ein glanzvoller Tag in Harbin, als meine Freundin Sophia ihre Hochzeit feierte – im besten Hotel der Stadt, unter freiem Himmel, mit Streichquartett, Nebelmaschine und Drohne – und das alles vor rund 200 Gästen. Dieser Mix aus Tradition und westlichen Einflüssen ist längst zum neuen Standard für die junge Generation in China geworden ist.

Weiße Kleider und Bubble-Milchtee

Sophias Hochzeit war nicht nur ein Fest der Liebe, sondern auch ein Zeugnis dafür, wie sehr westliche Trends die moderne chinesische Hochzeit prägen. Das auffälligste Beispiel sind die weißen Brautkleider. Weiß war in China ursprünglich die Farbe der Trauer, doch durch den westlichen Einfluss – vor allem aus den USA und Europa – hat sich das geändert. Heute ist es fast selbstverständlich, dass Bräute in China in Weiß heiraten, auch wenn sie später in der Feier noch zu traditionellen Kleidern greifen. Sophia hatte drei weiße Kleider, zwei davon ausschließlich für Fotoshootings, eines für die Zeremonie, sowie ein goldenes Kleid für das Bankett, bei dem das Brautpaar von Tisch zu Tisch ging und mit riesigen Gläsern Bubble-Tee mit allen Gästen prostete.

Die westlichen Einflüsse: Woher kommen diese Trends?

Der Wunsch nach weißen Brautkleidern kam besonders in den 1990er Jahren auf, als westliche Filme und TV-Serien immer mehr an Popularität gewannen. Diese vermittelten ein Bild von Hochzeiten, das sich schnell in China verbreitete und das Hochzeitsideal veränderte. Hochzeiten, wie man sie in Hollywood sieht, wirken romantisch und glamourös – genau das, was viele junge Paare wollten. Auch in Sophias Fall war klar: Die Inszenierung ihrer Hochzeit sollte einem Märchen gleichen, inspiriert von westlichen Vorbildern.

Doch es bleibt nicht nur bei den Kleidern. Früher war eine chinesische Hochzeit oft eine eher formelle Angelegenheit, bei der das Paar wenig über seine Gefühle sprach. Doch heutzutage entscheiden sich viele Paare dafür, ihre Liebe öffentlich zu zelebrieren und persönliche Eheversprechen, wie sie in westlichen Hochzeiten üblich sind, sind ebenfalls immer beliebter. Auch Sophia und ihr Bräutigam hielten sich vor ihren Gästen persönliche und emotionale Reden.

Die Rolle der Technologie: Drohnen und Fotoshootings

Ein weiteres Element ist der Einsatz modernster Technologie. Die Einladung für die Hochzeit erfolgte selbstverständlich über eine eigens erstelle WeChat-Seite. Dort konnte man sich selbst und die Begleitpersonen für die Teilnahme registrieren – inklusive eines virtuellen Geschenks an das Brautpaar, das mittels WeChat Geld an das Brautpaar sendetet. Doch auch wenn Bargeld in den meisten Lebensbereichen in China „out“ ist, gilt das  für Hochzeiten noch nicht. Den roten Geldumschlag (Hongbao) übergaben die Hochzeitsgäste ganz traditionell in Papierform.

Aufwendige Fotoshootings gehören ebenfalls zum festen Bestandteil einer chinesischen Hochzeit. Professionelle Hochzeitsfotografie, oft inspiriert von westlichen Hochzeitsbildern, ist eine echte Kunstform geworden. In Sophias Fall schwirrte die Drohne wieder und wieder über uns, während das Brautpaar in verschiedenen Posen und Outfits abgelichtet wurde – eine Inszenierung, sowohl vor Ort als auch in den sozialen Medien.

Doch die Jagd nach den perfekten Fotos beginnt bereits vor der Hochzeit mit den Vor-Hochzeitsfotos. Das sind professionelle Fotoshootings vor der Hochzeit, bei denen das Paar in aufwendigen Kleidern und oft an exotischen Orten posiert, die ein wichtiger Bestandteil moderner Hochzeiten geworden sind. Diese Fotos werden oft großformatig bei der Hochzeit gezeigt – so auch bei Sophia.

Ein weiteres technisches Highlight, das in China boomt, ist der Livestream der Hochzeit. Auch wenn Sophias Hochzeit darauf verzichtete, nutzen viele Paare in China soziale Medien, um ihre Hochzeit live zu übertragen – besonders für Verwandte und Freunde, die nicht vor Ort sein können.

Neue Konsumkultur und Professionalisierung der Hochzeitsbranche

Heute entscheiden viele junge Paare selbst, wann und wie sie heiraten wollen, denn der Einfluss der Familie hat sich reduziert. Junge Chines*innen legen mehr Wert auf persönliche Vorlieben und Individualität, was dazu führt, dass sie ihre Hochzeiten nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten, anstatt strikt den Traditionen zu folgen.

Der Raum für Individualität kurbelt auch die Hochzeitsbranche an. Diese hat sich in China längst professionalisiert und Hochzeiten sind mittlerweile ein Millionenmarkt in der Volksrepublik. Viele Paare geben Unsummen aus, um ihre Hochzeit zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen​.

Hochzeiten sind in der heutigen Konsumkulturgleichzeitig auch oft ein Statussymbol, bei dem das Paar seine soziale und finanzielle Stellung zeigt, also ein Symbol des Status und Wohlstands, nicht nur ein privates Fest. Sophia heiratete nicht nur ihren Partner, sondern präsentierte auch das, was ihre Familie erreicht hatte: das beste Hotel der Stadt, teure Autos, aufwendige Dekorationen und die neueste Technologie.

Tradition und Moderne in perfekter Harmonie

Sophias Hochzeit war mehr als nur ein Fest – es war eine Symbiose aus Tradition und Moderne, aus westlichen und chinesischen Einflüssen. Trotz all den westlichen Einflüssen bleibt ein Teil der traditionellen Bräuche bestehen. Die Teezeremonie, zum Beispiel, bei der das Paar den Eltern Tee serviert, um ihnen Respekt zu erweisen, gehört zu den unantastbaren Ritualen.

Sophia zeigte, wie facettenreich chinesische Hochzeiten heute sind und dass sie trotz aller Statussymbole im Kern den Wunsch umspielen, die Liebe zunehmend in den Mittelpunkt des Fests zu rücken. Eingebettet in auf den ersten Blick kurios erscheinende Trends, wird die eigene Hochzeit offen als Höhepunkt der romantischen Beziehung zelebriert. Junge Paare drücken ihre Liebe öffentlich in emotionalen Zeremonien aus – umgeben von ihren Liebsten und dem geräuschvollen Surren einer Drohne.