Kommentar von Katharina Menz
Jack Ma ist wieder da, und die neue MilliardĂ€r*innen-Forbes-Liste auch. 2021 hat sich viel getan. Eine Spurensuche nach den Reichsten der Super-Reichen, ihrem Vermögen und der ungleichen Welt, die sie verkörpern. âCrazy Rich Asiansâ oder Crazy World?
2021 schlagen MilliardÀr*innen alle Rekorde. Weltweit gibt es aktuell 2.755 MilliardÀr*innen. Letztes Jahr waren es noch 2.095. Die Pandemie brachte also 660 neue Super-Reiche hervor, so viele wie noch nie. Ihr geschÀtztes Gesamtvermögen belÀuft sich 2021 auf 13,1 Billionen Dollar (13.100 Milliarden), im letzten Jahr waren es noch 8 Billionen, im Jahr 2000 eine Billion. Die reichsten der Super-Reichen teilen den Kuchen unter sich auf und besitzen so viel Vermögen wie 60 % der Weltbevölkerung, also wie 4,6 Milliarden Menschen.
Die vermögendsten Menschen Asiens kommen aus Indien, China und Japan. Sie stiegen in den vergangenen Jahren im globalen Ranking nach oben und nehmen einen zunehmend gröĂeren Anteil der MilliardĂ€r*innen ein. Dieser Trend scheint auch in Hollywood Aufmerksamkeit zu erregen: Der Film âCrazy Rich Asiansâ lĂ€sst superreiche Asiat*innen auf internationalen KinoleinwĂ€nden tanzen und zeichnet ein Bild des verrĂŒckten und glamourösen Reichtums âAsiensâ. Sie sind nicht bloĂ reich, sie sind âcrazyâ reich.
Die Crazy-reichen der Super-Reichen
MilliardÀr*innen sprengen die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro muss man sehr lange arbeiten, um eine Milliarde Euro zu erwirtschaften. Genauer gesagt: 33.333 Jahre. Vor so vielen Jahren in etwa gesellten sich die ersten Homo Sapiens zu den Neandertaler*innen in Europa.
MilliardĂ€r*innen sind demnach extrem weit entfernt von ânormalenâ Reichen, wie beispielsweise MillionĂ€r*innen. Eine Million Sekunden sind ungefĂ€hr 11,5 Tage. Eine Milliarde Sekunden sind etwa 32 Jahre. Ein*e MilliardĂ€r*in steht im selben VerhĂ€ltnis zu eine*r MillionĂ€r*in wie ein*e MillionĂ€r*in zu einer Person, deren Gesamtvermögen sich auf 1.000 Dollar belĂ€uft, also gerade einmal ein Smartphone besitzt. Diese enormen Vermögensunterschiede sind selbst fĂŒr einen modernen Homo Sapiens mit Taschenrechner kaum greifbar.
Jack Ma und Co.
Jack Ma besitzt gleich 48,4 von diesen Milliarden und ist unter den MilliardĂ€r*innen in Asien wahrscheinlich der prominenteste. Nach der GrĂŒndung der Alibaba Group 1999 verfolgte ganz China seine unternehmerischen Ambitionen, bis Jack Ma Ende Oktober 2020 von der BildflĂ€che verschwand, ausgerechnet, nachdem er Kritik an der chinesischen Regierung geĂŒbt hatte. Anfang des Jahres tauchte er wieder auf, allerdings nicht mehr als Chinas reichste Person, denn Zhong Shanshan wechselte mit dem Börsengang seines Mineralwasser-Konzerns Nongfu Spring auf die Ăberholspur. Zhongs Gesamtvermögen stieg innerhalb eines Jahres von zwei auf 68,9 Milliarden Dollar, wuchs also um prickelnde 3.000 Prozent.
Gewiss sind Jack Ma und Zhong Shanshan bemerkenswerte Persönlichkeiten und haben durch ihre harte Arbeit viel geleistet. Das private Durchschnittsvermögen in China betrĂ€gt 70.962 Dollar. Hat Jack Ma etwa 700.000-mal und Zhong Shanshan eine Million-mal mehr gearbeitet als der Durchschnitt? Selbst mit intensiven Ăberstunden geht sich das nicht aus. Eines wird schnell klar: MilliardĂ€r*innen erwirtschaften ihr Vermögen unmöglich allein, sondern mit Hilfe ihrer Mitarbeiter*innen, der Gesellschaft und einer nicht vernachlĂ€ssigbaren Portion GlĂŒck.
Erben und heiraten in Indien
Mukesh Ambani ist Indiens reichste Person und hat sein Vermögen (84,5 Milliarden Dollar) von seinem Vater geerbt. GemÀà indischer Tradition finanzierte er vor zwei Jahren die Hochzeit seiner Tochter – ein Fest fĂŒr 100 Millionen Dollar. Damit könnte man 167 Wohnungen Ă 100 Quadratmeter in Wien kaufen (etwa eine halbe Million Euro pro Wohnung). Zum GlĂŒck blieben Mukesh Ambani nach der Feier noch 84,4 Milliarden fĂŒr allfĂ€llige ImmobilienkĂ€ufe ĂŒbrig. Mit einem Wimpernschlag geben MilliardĂ€r*innen Summen aus, fĂŒr die andere ihr Leben lang oder ĂŒber Generationen arbeiten.
Japanische GolfplÀtze in Hawaii
Yanai Tadashi, die zweitreichste Person Japans und 44,1-facher MilliardĂ€r, leitet die Muttergesellschaft von Uniqlo, Fast Retailing. Fast Retailing betreibt mit etwa 1.000 LĂ€den den gröĂten Bekleidungshandel Asiens. Yanai besitzt zwar ein paar GolfplĂ€tze in Maui, Hawaii, ist aber ansonsten recht bescheiden. Der nun reichste Japaner ist Son Masayoshi mit 45,4 Milliarden. Er ist CEO der SoftBank Group Corp., einer Technologieinvestmentfirma.
Mehr Frauen?
Die allermeisten MilliardÀr*innen sind MÀnner. 2021 waren nur 11,9% der weltweiten MilliardÀr*innen Frauen (2018: 11,5%). Doch liest man immer öfter: Mehr und mehr der MilliardÀr*innen sind Frauen. JÀhrlich wird der Rekord der Anzahl an Frauen unter den MilliardÀr*innen gebrochen. Endlich mehr Chancengleichheit in der Welt?
Das echte Problem
Ist es nicht verlockend, die steigende Anzahl an Frauen unter den MilliardĂ€r*innen als ein Zeichen zunehmender Chancengleichheit zu interpretieren? Sollen wir MilliardĂ€r*innen applaudieren, weil Frauen zunehmend am Ăberreichtum beteiligt sind? Ein Problem der Ungleichheit mit einem Problem noch gröĂerer Ungleichheit zu rechtfertigen ist falsch, wenn nicht gar dreist. In erster Linie stehen wir nicht vor einem Frauenproblem, sondern einem Verteilungsproblem.
NatĂŒrlich ist es wichtig, dass Frauen und Asiat*innen im globalen Vermögensspektrum aufsteigen, immerhin geht es hierbei um einen notwendigen Aufholprozess. Aber wenn es um MilliardĂ€r*innen geht, ist diese Diskussion fehl am Platz, denn sie lenkt ab und platziert die Ungleichheit bloĂ in einer anderen Ecke der Gesellschaft. Es ist irrelevant, ob Frauen, Amerikaner*innen oder Chines*innen das gröĂere StĂŒck des Kuchens besitzen. Noch weniger von Bedeutung ist, ob der Kuchen âself-madeâ ist. Das echte Problem ist, dass Milliardar*innen aufzeigen, wie ungerecht die Verteilung des globalen Vermögens ist.
SchlieĂung der Kluften?
Doch wer bemĂŒht sich in Sachen Umverteilung? WĂ€hrend es beispielsweise in Japan, Korea, Taiwan und den USA eine Erbschaftssteuer gibt, bleiben diese in der Volksrepublik China, Singapur, Indien und vielen anderen LĂ€ndern (auch Ăsterreich) aus. Auch das Vermögen von MilliardĂ€r*innen dieser Staatsangehörigkeiten bleibt vom Staat unangetastet, denn nur eine Handvoll LĂ€nder hat eine Vermögenssteuer. Das Vermögen kann daher ungestört gedeihen, wĂ€hrend groĂe Teile der Gesellschaft weiterhin mit Ehrfurcht und Bewunderung die Forbes-Listen von Individuen verherrlichen, deren Geld und Macht sich zu ihren Gunsten polarisiert und sich nach ganz oben verrĂŒckt.
Crazy World, Crazy Fun
In dieser verrĂŒckten Welt bleibt jedoch dem Rest von uns der SpaĂ am Geld auch nicht verwehrt. Wer sich auf einer bunten Weltkarte durch die MilliardĂ€r*innen-Landschaft klicken möchte, kann das auf der Forbes-Website tun. Alternativ kann man da auch das Vermögen von MilliardĂ€r*innen in Echtzeit verfolgen, unterteilt in die gröĂten âWinnerâ und âLoserâ. Die neue Netflix Reality Show âThe Bling Empireâ lĂ€dt ein, Asian-Americans beim Diamanten-Shopping zuzusehen. Wem das noch nicht crazy genug ist, kann das Geld von Bill Gates in Cheeseburger umwandeln. Crazy World, Crazy Fun.Â
Dann sollen sie doch Kuchen essen
MilliardĂ€r*innen, egal wer sie sind und woher sie kommen, sind ein absurder Ausdruck gravierender globaler Ungleichheit. WĂ€hrend sie fernab der Gesellschaft den Vermögenskuchen unter sich aufteilen, kĂ€mpft ein groĂer Rest tĂ€glich um das Brot. Pflichtet die Gesellschaft der Existenz von MilliardĂ€r*innen bei, suggeriert sie sich selbst, sie solle doch einfach am Vermögenskuchen mitessen. Allerdings gilt nach wie vor: Wo es an Brot mangelt, isst man fĂŒr gewöhnlich keinen Kuchen.