Taiwanische Gangster – vulgär und (prä)potent

Von Christopher Gan

„Esst! Esst! Esst!“ lautet die traditionelle Aufforderung des Patriarchen, die das Essen einleitet. Ein Tisch in einem ebenerdigen, zur Straße hin offenen Raum, Plastikhocker und eine Horde hungriger Mäuler, die mit ihren Essstäbchen über den Tisch sausen – ähnlich chaotisch wie der Verkehr auf Kreuzungen im vietnamesischen Saigon. Das soll der große Boss in Monga sein?

Leicht untersetzt in Pyjama-ähnlichen Klamotten, erinnert er eher an den Onkel vom Land als an einen harten Gangsterboss, der ein ganzes Viertel von Taipei kontrolliert. Alles ist so ganz und gar nicht wie Wenzi sich das vorgestellt hatte, bis er einen abgetrennten kleinen Finger unmotiviert und unbeachtet zwischen den Essensresten von Boss Geta liegen sieht. Und auch die Antwort, die er bekommt, ist klipp und klar: „So ist das!“. Taiwanische Gangster – vulgär und mächtig!

Wie jede Metropole lebt auch Taipei von den Eigenheiten seiner Stadtviertel. Dort haben sich über Generationen eigene Kulturen, Akzente und Flairs entwickelt, und wurden vor allem auch durch ihre Geschichte von Immigration und starkem Wachstum geprägt. Der Zustrom von Menschen verschiedenster Orte lässt diese spannende und für Metropolen charakteristische Vielfältigkeit entstehen. Jedoch ist dieser Prozess zwangsläufig mit Konflikten zwischen den vermeintlich alteingesessenen Bewohnerinnen eines Viertels und den Neuankömmlingen verbunden.

In Monga findet diese Dynamik der Stadtviertelkultur seinen Niederschlag zwischen den Zeilen. Schon in den ersten Szenen wird dem Neuling Wenzi, der wieder einmal in eine neue Schule kommt, gleich so richtig gezeigt, wie der Hase läuft und wo seine Stellung in der neuen Umgebung ist. Auch über die Sprache wird Wenzi dies vor Augen gehalten, denn statt auf Hochchinesisch wird scheinbar bewusst mit ihm im Dialekt Hoklo gesprochen, den er selbst offensichtlich nicht spricht. Auf seiner Suche nach Zugehörigkeit taucht Wenzi in die Welt der Kleinkriminalität ein. In einer Welt, die laut, ordinär und gewalttätig ist – und nach traditionellen Regeln organisiert ist. Die Stadtviertel, in denen der Film spielt, werden dominiert von verschiedenen Familienclans, die das Leben ordnen und kontrollieren. Die zwei am stärksten vertretenen Viertel sind die geschäftigen und pulsierenden Gegenden rund um den Longshan-Tempel und die Huaxi-Straße.

Die Geschichte dreht sich um fünf junge Männer, die am Übergang ins Erwachsensein beschließen, den Weg traditioneller Gangster einzuschlagen. Dabei erleben sie die Dynamik Taipeis in der Zeit des Wirtschaftswachstums und der gesellschaftlichen Öffnung in den 1980er Jahren, die nachhaltig den Charakter des Viertels verändert. Durch eine nostalgisch-verklärte Perspektive blickt der Film auf das aussichtslose Festhalten der angestammten Bevölkerung an ihrer Lebensart gegenüber Modernisierung und dem Einfluss der neuen Generation. Wie sich am Ende des Films herausstellt, ist Wenzi nicht einfach nur neu im Viertel, sondern auch noch der uneheliche Sohn von Huilang, dem Gangsterboss mit Ursprung in Festlandchina, der das Ende der alten Machtstrukturen einleitet. Dadurch verkörpert Wenzi mit seiner Rolle die Dynamik in der Entwicklung einer Identität des neuen Taipei.