Klima gegen Umwelt

Gesamter Primärenergieverbrauch von Südkorea per Energiequelle, 2011 Bild: U.S. Energy Information Administration

Von Mark-Stephan Kolesik

Die Industrie der ‘grünen Atomenergie’ floriert in Südkorea. Die Politik versucht ihr ein neues, sauberes Image zu verpassen. Gestützt wird sie dabei von der Atomlobby Südkoreas. Südkoreas Regierung wirbt mit dem Slogan „Weniger Kohle, grüneres Wachstum“. Aber ist dieser eingeschlagene Weg wirklich so grün, wie er von Seoul gerne dargestellt wird?

Südkorea ist die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens. Die rund 50 Millionen Einwohnerinnen des Landes haben innerhalb von drei Jahrzehnten ein hoch technologisiertes Industrieland geschaffen. Die Energieimporte aus dem Ausland stiegen im Jahr 2010 auf über 80% des gesamten Energieverbrauches. Das sonst eher rohstoffarme Korea ist reich an Kohlevorkommen, die sich aber vor allem in Nordkorea befinden. Die Nutzung von Kohle als Brennstoff für die Energieerzeugung gerät allerdings immer mehr in Verruf. Grund dafür sind die steigende Popularität erneuerbarer Energien sowie der Versuch, die CO²-Emissionen zu senken. Dennoch stammen über 70% der Energieproduktion aus der Verbrennung von Kohle und Erdöl, gefolgt von Gas aus natürlichen Vorkommen mit 17%. An dritter Stelle liegt bereits die Atomenergie mit 13%. Während erneuerbare Energieträger eine nach wie vor untergeordnete Rolle in der Energieversorgung des Landes spielen, befindet sich Südkorea mit seiner hohen Abhängigkeit von Kohlekraftwerken mittlerweile unter den zehn größten Verursachern von Kohlenstoffdioxidausstoß.

Die koreanische Regierung unter Lee Myeong-Bak erklärte deswegen im Sommer 2008, diesen Umstand unter dem Slogan “weniger Kohle, grüneres Wachstum” bekämpfen zu wollen. Die Vision, Energie über den Ausbau erneuerbarer Energie anstatt durch traditionelle fossile Brennstoffe zu gewinnen, wurde auf die nationale Politagenda gesetzt und bekam höchste Priorität. Über die Jahre wurde dieser Fahrplan jedoch stetig geändert. Ein massiver Anstieg der Rohölpreise, von dem Südkorea im Jahr 2011 2.2 Millionen Barrel pro Tag benötigte, zwang die Regierung zum schnellen Handeln. Bis 2021 sollen nun elf neue Atomreaktoren, unterstützt durch riesige Offshore-Windparks an den Küsten des Landes, die grüne Wende bringen.

Während die Atomkatastrophe in Japan Deutschland dazu bewegt hat, sich von der Atomenergie bis 2021 endgültig zu verabschieden, ist die Atomenergie im rohstoffarmen Südkorea ein fester Bestandteil aktueller Konzepte zur Reduzierung der CO²-Emissionen.

Trotz zahlreicher Vorfälle, darunter über ein Dutzend Notabschaltungen, sowie mehrere Skandale zu gefälschten Sicherheitszertifikaten, hält man daran fest, den Anteil der Atomkraft an der Energieerzeugung des Landes bis auf 65% im Jahr 2035 zu erhöhen.

Doch die Atomenergie ist durch die Ereignisse im März 2011 auch in Südkorea angreifbarer geworden. So bildete sich im Jahr der Katastrophe von Fukushima eine aktive Anti-Atomkraft-Bewegung nach dem Vorbild der Bewegung in Deutschland.

Die südkoreanischen Gewerkschaften zählen zu den kampferpobtesten in ganz Asien. Sie haben es in der Vergangenheit immer wieder geschafft, zehntausende Menschen auf die Straße zu bringen, um gemeinsam ihren Unmut zu äußern. Bereits während Park Chung-Hee’s autoritärer Militärdiktatur der Siebziger- und Achtzigerjahre organisierte die Demokratiebewegung großangelegte Protestkundgebungen im ganzen Land, und trieb so den Wandel zu einem demokratischen System weiter voran. Noch sind die Proteste der Atomkraftgegnerinnen klein. Im Falle einer erfolgreichen Energiewende in Deutschland, sowie dem Anhalten gefährlicher Zwischenfälle in unsicheren Atomkraftwerken kann man allerdings davon ausgehen, dass die protestfreudigen Südkoreanerinnen bald auf die Straße gehen, um gegen den Import von US-Rind, sondern auch, um gegen die Energiepläne der eigenen Regierung zu kämpfen.sot